Candidus (Christoph) Wenzl (1655–1717)

Abt OCist 1688–1700 in Raitenhaslach

Sohn eines Salzburger Rosshändlers
Als Sohn von Adam und Rosina Wenzl wird Christoph am 4. März 1655 in Salzburg getauft. Sein Vater ist Rosshändler und wohnt an der Linzergasse. 1667 wird Christoph Wenzl als Schüler der Gymnasialklasse der Salzburger Universität geführt. 1678, mit 23 Jahren, legt er in der Zisterzienserabtei Raitenhaslach Profess ab und erhält den Ordensnamen Candidus. Abt ist Malachias Lachmayr. 1680 wird er an der Jesuitenuniversität Ingolstadt immatrikuliert. 1684 ist er Priester. Zurück in Raitenhaslach, versieht er die Pfarrvikarstelle in Marienberg.
1688 stirbt Abt Malachias Lachmayr. Als Nachfolger wird unter dem Vorsitz des Abtes Emanuel Sulger von Salem, der einen eigenen Kandidaten portiert, am 24. März 1688 der 33-jährige Candidus Wenzl gewählt. Die Wahl erfolgt auf Druck des kurfürstlichen Wahlkommissars, der einen Abt aus den Reihen des Raitenhaslacher Konvents verlangt.[1]

Abt 1688–1700
Schon im Jahr seiner Wahl gelangt Abt Candidus an den Geistlichen Rat in München, um Baumängel an Kirche, Dormitorium und Bibliothek beheben zu dürfen.[2] Erst 1690 trifft die Genehmigung ein, obwohl Raitenhaslach finanziell gut gestellt ist. Im gleichen Jahr wird Abt Candidus als Generalvikar der bayrischen Ordensprovinz gewählt.[3] Zweimal führt er auch den Vorsitz bei Abtswahlen in Kaisheim, das nicht zur bayrischen Provinz gehört. Als Generalvikar visitiert er die Zisterzienserklöster Kurbayerns, im Sonderauftrag 1699 auch die Tiroler Abtei Stams. Das immer wieder bestätigte Generalvikariat zeigt die Wertschätzung des Abtes innerhalb des Ordens. Intern fördert er Bildung und Ausbildung. So eröffnet er 1693 eine Hauslehranstalt für Kleriker unter der Leitung eines Dominikaners. Er ist auch Spiritus rector eines ungewöhnlich aufwändig gestalteten barocken Festereignisses. 1698 feiert Raitenhaslach das 600-Jahr-Jubiläum der Gründung des Ordens gleichzeitig mit der Translation dreier römischer Katakombenheiliger. Das Fest und die für den Einzug gebauten drei zweigeschossigen Triumphpforten sind in einem 1699 erschienenen Druck dokumentiert. Auch die Vedute der Klosterlandschaft zur Zeit von Abt Candidus ist hier enthalten. Sie ist die direkte Vorlage des 1721 erschienenen Stiches von Michael Wening.

Bauabt in Raitenhaslach
Die Veduten 1699 und 1721 stellen das Kloster nach den bis 1696 abgeschlossenen Um- und Neubauten von Abt Candidus dar. Nur die Stiftskirche, deren Turm er 1691 erstellt und deren Langhaus er 1694–1696 als Wandpfeilerhalle neu bauen lässt, ist heute noch erhalten. Dass die Umbauten von Studiersaal und Bibliothek, Konventflügel und vor allem die beiden Westflügel beidseits der Kirche Werke des Bauabtes sind, wird kaum zur Kenntnis genommen.[4] Er ist baukundiger Bauherr. Eine Reise zu Baumeister Johann Jakob Herkomer nach Sameister (1690) ist dokumentiert. Die Carlone-Wandpfeilerhalle der Stiftskirche von Schlierbach dürfte er anlässlich seiner Reise zu den Weinbergen bei Krems (1689) besichtigt haben. Dass er dem einheimischen Baumeister die Architektur vorgibt, ist anzunehmen. Der Beizug von Johann Michael Rottmayr als Maler zeigt, dass er auch mit der aktuellen Salzburger Kunstszene vertraut ist.

Resignation und Tod
Innerhalb des Klosters ist der Abt nicht unumstritten. Seine direkte Art und seine Strenge sind nicht allen genehm. Mitbrüder werfen ihm eigenmächtige Bauausführungen vor und beklagen sich, auch wegen der zunehmenden Schuldenlast,[5] beim Vaterabt in Salem. Eine Visitation des Abtes Stephan Jung von Salem hat am 25. Mai 1700 die Resignation des Abtes Candidus zur Folge.[6] Noch 17 Jahre lebt er im Kloster. Mit seinem Nachfolger Abt Emanuel I. Scholz versteht er sich nicht, auch weil dieser zu den treibenden Kräften für die Resignation gezählt werden darf. Die Regierung seines Nachfolgers verläuft unglücklich, sie ist durch den Spanischen Erbfolgekrieg und die österreichische Administration von Bayern überschattet. Abt Candidus Wenzl stirbt am 26. Februar 1717. Er wird in der Klosterkirche beim Bartholomäusaltar beigesetzt. Seine bescheidene Grabplatte ist heute in der Vorhalle angebracht.

Wappen
In der Beschreibung der Prozession anlässlich der Jubiläumsfeier 1698 ist im Stich nach Seite 10 der Wappenschild von Abt Candidus Wenzl dargestellt. Da der Schild noch zu seinen Lebzeiten gestochen wird, darf man ihn als sein eigentliches persönliches Wappen betrachten.[7] Das Wappen ist geviertet. In 1 ist der Rot-Silbern geschachtete Zisterzienser-Schrägbalken zu sehen. In 2 übernimmt Abt Candidus das vermeintliche Wappen des heiligen Ausanius, dessen Leib er 1698 nach Raitenhaslach überführt. Es zeigt einen Vogel auf einem Zweig, im Schnabel einen Ring haltend. In 3 ist auf Dreiberg ein Rosenstock mit drei fünfblätterigen Rosen zu sehen, und in 4 ein flammendes Herz, von einem Pfeil durchbohrt. Der Herzschild enthält das Klosterwappen, eine sitzende Muttergottes mit Kind. Die Farben der Felder 2-4 sind nicht bekannt, dürften aber, wie auch die Darstellungen, nicht heraldischen Grundsätzen entsprochen haben. Der Abt bevorzugt bei seiner Wappenwahl symbolische Aussagen. Beidseits der Schildbekrönung mit Stab und Inful ist die Inschrift F(rater) C(andidus) A(bbas) R(aittenhaslacensis) zu lesen.
  WappenWenzl
Wappen des Abtes Candidus Wenzl aus dem Prozessionsbild Seite 10 in «Glorwürdiges Sechstes Jubel-Jahr», Salzburg 1699.

Pius Bieri 2015

Literatur:

«Glorwürdiges Sechstes Jubel-Jahr / Oder / Sechs-hundert-Jähriger / Welt-Gang / Deß / Heiligen und befreyten Cistercienser-Ordens / celebriert / In dem Hochlöbl. Gotts-Hauß deß gemelten Ordens / Raiten-Haßlach / So im Jahr 1698. den 17. Augusti, mit einer herrlichen Procession und Translation der Heiligen Römischen Martyrer und Blut-Zeugen Christi / AUSIANII, CONCORDIAE und FORTUNATAE».
Salzburg 1699.

Krausen, Edgar: Die Zisterzienserabtei Raitenhaslach, in: Germania Sacra, NF 11, die Bistümer der Kirchenprovinz Salzburg, das Erzbistum Salzburg. Berlin und New York 1977.

Appuhn-Radtke, Sibylle: Selbstvergewisserung und Heilserwartung. Die Ehrenpforten zur Feier des 600-jährigen Ordensjubiläums in Raitenhaslach (1698), in: Klosterkultur in Bayern vor der Säkularisation – zwischen Heilsgeschichte und Aufklärung (Hrsg. Iris Lauterbach). München 2011.

Anmerkungen:
[1] Die Anwesenheit des «ausländischen» Vaterabtes von Salem wird vom Kurfürsten Max Emanuel und dem Geistlichen Rat am Hof grundsätzlich bekämpft. Das Selbstverständnis des geistlichen Fürsten von Salem, der in einer sechsspännigen Kutsche vorfährt, steht in Konfrontationskurs mit dem absolutistischen Machtanspruch des Kurfürsten, der für «seine» Klöster keine Einmischung duldet.

[2] Die Äbte der kurbayrischen Klöster müssen alle Bauvorhaben durch den Geistlichen Rat genehmigen lassen.

[3] Zur bayrischen Ordensprovinz zählen die Klöster im kurbayrischen Einflussgebiet. Es sind Raitenhaslach, Aldersbach, Fürstenfeld, Fürstenzell und Gotteszell, nach 1669 auch die wieder errichteten oberpfälzischen Klöster Waldsassen und Walderbach.

[4] Die Bibliothek am Ostflügel und die Umbauten der Klausurflügel sind erwähnt, dass aber die neue Kirchenwestfront auch den Umbau der anschliessenden Flügel bedingt, geht vergessen. Im Vorwort zur 1699 erschienenen Druckschrift «Sechstes Jubel-Jahr» wird allerdings ausdrücklich die barocke Neugestaltung und die Dreigeschossigkeit als Werk des Abtes Candidus ausgewiesen. Er habe «das uralte / verdunckelte und nidrige Closter-Gebäu / in Erbauung nicht allein erhöcht / sondern auch herrlich beleuchtet / und in solchen Stand und Form / wie es das beigelegte Kupfer anweiset / gebracht». Mit dem «beigelegten Kupfer» ist der Stich der Klosteranlage 1699 gemeint. Auch im Churbayrischen Kalender 1755 heisst es: «Nicht nur allein die Closter-Kirch / sondern auch den halben Theil des Convents hat er aufgeführet».

[5] Zur Schuldenlast tragen allerdings auch Kriegskontributionen an den Münchner Hof bei.

[6] Die Visitation wird vom Generalabt angeordnet. Es ist die erste Visitationsreise des 36-jährigen Abtes Stephan Jung. Sie hat die Rücktritte der Äbte von Raitenhaslach und Fürstenzell zur Folge. In Fürstenfeld kann der Abt die Resignation bis 1705 herauszögern. Der Direktor des kurfürstlichen Geistlichen Rates, Martin de Constante, wird jetzt zum unerbittlichen Gegner jeglicher Einmischung in bayrische Angelegenheiten, muss aber noch Visitationsreisen des Abtes Stephan Jung bis 1714 dulden.

[7] Spätere Darstellungen, auch diejenige auf dem Grabstein, weichen ab. Auf dem Wening-Stich ist das Wappen des Abtes Emanuel I. Scholz dargestellt (Vogel auf Dreiberg, einen Ring in der Kralle, im Schnabel einen Ölzweig). 

1721 erscheint in der «Historico-Topographica Descriptio» (Rentamt Burghausen) des Michael Wening der Aufklapp-Kupferstich «Closter Raittenhaßlach». Vorlage ist der Stich im «Sechstes Jubel-Jahr» von 1699, den Wening gekonnt in eine korrekte Perspektivdarstellung überführt. Damit stellt Wening das bauliche Lebenswerk des Abtes Candidius Wenzl dar, der nicht nur das Kloster dreigeschossig in barocken Formen hochführt, sondern auch Kirche und Kirchturm neu baut. Im Stich ist allerdings nicht sein Wappen, sondern dasjenige des Abtes Emanuel I. dargestellt, der 1721 regiert. Für den gesamten Stich bitte anklicken!.
  Abt OCist Candidus Wenzl (1655–1717)  
  Biografische Daten     Zurück zum Bauwerk  
  Geburtsdatum Geburtsort       Land 18. Jahrhundert  
  4. März 1655 Salzburg   Hochstift Salzburg  
  Titel und Stellung         Regierungszeit  
  Abt OCist der Zisterzienserabtei Raitenhaslach   1688–1700  
  Sterbedatum Sterbeort       Land 18. Jahrhundert  
  26. Februar 1717 Abtei Raitenhaslach   Kurfürstentum Bayern  
  Kurzbiografie              
 

Abt Candidus Wenzl ist der erste grosse Barockprälat von Raitenhaslach. Er ist Generalvikar der Ordensprovinz, vielseitig gebildet und kann 1698 das Ordensjubiläum mit hochbarocken Feierlichkeiten in einer neuen Klosterkirche feiern. Wie viele Äbte am Ende des 17. Jahrhunderts ist er in Baukunst erfahren. Den Neubau von Stiftskirche und auch von einem Grossteil der Klosteranlage dürfte er, wenn nicht geplant, so doch im Wesentlichen dem Baumeister vorgegeben haben. Er scheint mit seiner direkten Art nicht bei allen Mitbrüdern anzukommen und resigniert deshalb nach nur 12 Jahren Regierung. Seine Leistung als Bauabt ist nur noch im 1721 erschienenen Stich von Michael Wening abzulesen, weil später fast alle seine Werke abgebrochen oder verändert werden.

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